Besinnung - Jahresbegleiter  

21.Juli

FROMM UND DOCH GOTTLOS

"Nahe bist du ihrem Munde, aber ferne von ihrem Herzen."
(Jeremia 12,2)

In Jeremia 12,1-6 haben wir die Klage Jeremias über die Gottlosigkeit seines Volkes. Es ist ja das Volk, das Gott sich selbst erwählt hatte. In dieses Volk hat er viel investiert. Er hat ihnen auch den Bund gehalten, den er den Vätern geschworen hat. Er hatte sie aus dem Sklavenhaus Ägypten befreit. Er hatte ihnen sein Gesetz und seine Ordnungen gegeben. Er hatte sie in ein gutes Land gebracht und ihnen einen König gegeben. Er hatte ihnen immer wieder seine Propheten gesandt und sie vor vielen Feinden bewahrt. Sie kennen ihn - aber sie haben seinen Namen mehr im Munde als im Herzen. So heißt nun die Klage Gottes über sein Volk: "Nahe dem Mund, weit vom Herzen!"

Die Frömmigkeit des Volkes ist wie ein löchriger Eimer, wie Sand in der Hand, wie Staub im Wind. Hinter ihren Worten steht weder ihr Wille noch ihr Herz.
Aber Gott sucht nicht einfach Religion oder religiöse Riten oder fromme Worte. Gott sucht unser Herz!

Das Herz steht hier für die ganze Existenz des Menschen, sozusagen für das Zentrum von Denken und Fühlen und Wollen. Gott will nicht in irgendeinem Randbezirk unseres Lebens fristen - er will im Zentrum unseres Lebens der Herr sein.
Wo Gott nur als Randerscheinung auftreten soll, da verliert man ihn sehr bald. Da wird Gott dann nur als "Feuerwehr" mißbraucht: Wenn Not da ist, dann ruft man; wenn es einem gut geht, dann spielt Gott keine Rolle.

Gott aber will kein "Gast-Rollen-Spiel" in unserem Leben haben; er will unser "Herz, Mund und Hände und Füße, unser Denken und Handeln". Er will uns mit seinem Willen führen und leiten. Nur so kann er uns seinen ganzen Segen geben; nur so kann unser Leben recht "fromm" sein und Frucht bringen.

Jeremia nimmt an solchem Frommsein Anstoß. Für ihn ist das gleich wie Gottlosigkeit. So klagt er auch über das Glück der Gottlosen. Er klagt darüber, daß wegen der Bosheit der Bewohner das ganze Land und alle Tiere zu leiden haben. Aus dem verheißenen "gesegneten Land" ist durch die Übeltaten der Bewohner ein geschundenes Land geworden. Und am Ende seiner Klage, da sagt er es offen heraus (oder ist aus Jeremias Klage Gottes Warnung an den Propheten geworden?):
"Denn auch deine Brüder und deines Vaters Haus sind treulos, sie schreien hinter dir her aus vollem Halse. Darum traue du ihnen nicht, wenn sie auch freundlich mit dir reden."
Die Klage des Propheten über das Volk Gottes geht dann (ab Vers 7) über in die Klage Gottes über sein Volk. Und doch steht Gott zu seinem Volk und will es gegenüber seinen Feinden in Schutz nehmen. Das ist Gnade!

  • 29.Woche


  • Hinweis
    201.Lesung


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    Pfarrer i.R. Jakob Stehle
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