Besinnung - Jahresbegleiter  

11.Juni

Hiobs Reinigungseid

"Gott möge mich wiegen auf rechter Waage; so wird er erkennen meine Unschuld!"
(Hiob 31,6)

In 40 Versen schüttet Hiob sein Herz vor Gott und Menschen aus. Er zählt beispielhaft verschiedene menschliche Verfehlungen auf und sagt dann: Wenn ich das oder jenes getan habe, dann treffe mich Gottes Gericht.

Hiob liefert sich Gottes Gericht aus und ist davon überzeugt, daß er unschuldig ist. Er fordert Gott auf, ihn "zu wiegen auf rechter Waage" - und er ist davon überzeugt, daß Gott seine Unschuld erkenne.

Mutige Worte! Wer von uns könnte so beten und sich einem solchen Reinigungseid stellen?

Hatte Hiob vorher seinen Freunden gesagt, daß er ihnen im Blick auf ihre Anklage (verborgen und offen) nicht recht gebe und "bis an sein Ende nicht weichen will von seiner Unschuld" (Kap.27,5), so stellt er sich nun aber Gottes Gericht und beteuert auch hier seine Unschuld.

Von unserem Verständnis aus dem Neuen Testament - vor allem aber aus dem Zeugnis des Römerbriefes - können wir das schwer nachvollziehen. Wir sind als Protestanten davon überzeugt, daß kein Mensch vor Gott gerecht sein kann. Wir brauchen nur einmal die Zehn Gebote durchgehen und wissen, daß wir mannigfach schuldig werden.

Vielleicht müssen wir hier aber trotzdem einmal gedanklich unterscheiden:
  • Nichts Falsches tun, keine Gemeinheiten dem Nächsten gegenüber, das ist es wohl, was Hiob für sich in Anspruch nimmt!
  • Anders ist es wohl mit dem Wort "Gerechtigkeit" im Sinne, daß irgend jemand Gott etwas zu bieten hätte, wofür er gleichsam dankbar sein müßte. "Gerechtigkeit" als Anspruch vor Gott.

    Hiob wird später - nach der Selbstoffenbarung Gottes - doch sagen:
    "Darum spreche ich mich schuldig und tue Buße in Staub und Asche!" (Kap.42,6)
    Dann aber wird sich Gott vor Hiob stellen gegenüber seinen Freunden und ihnen sagen, daß sie nicht recht geredet haben über Gott vor Hiob. Und Hiob soll für sie Fürbitte tun. - Obwohl Hiob sich schuldig bekennt, wird Gott sich schützend vor ihn stellen. Ist das nicht "Rechtfertigung aus Gnaden"?



  • 23.Woche


  • Hinweis
    161.Lesung


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    Pfarrer i.R. Jakob Stehle
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