Besinnung - Jahresbegleiter  

19.November

DIESE SITTE(N) HABEN WIR NICHT

"Ist aber jemand unter euch, der Lust hat, darüber zu streiten, so soll er wissen, daß wir diese Sitte nicht haben, die Gemeinden Gottes auch nicht."
1.Korinther 11,16

Im 11.Kapitel seines ersten Briefes an die christliche Gemeinde zu Korinth, geht Paulus auf Fragen aus der Gemeinde ein. So war es z.B. die Frage, ob und wie sich eine Frau im Gottesdienst äußern sollte. Außerdem geht es um die Frage, ob eine Frau mit unbedecktem Haupt beten oder prophezeien darf. Dagegen soll der Mann sein Haupt nicht bedecken, da er "Gottes Bild und Abglanz ist; die Frau aber ist des Mannes Abglanz."

Das sind Fragen, die wir zum Teil schon längst nicht mehr stellen, oder Äußerungen, die wir, in einer demokratischen Gesellschaft der Gleichberechtigung (auch in der Kirche!) nicht ganz verstehen.

Am Schluß nun faßt Paulus zusammen und spricht von der Sitte, "die wir nicht haben, die Gemeinde Gottes auch nicht."

Für uns heute ist "Sitte" ein Begriff der Kultur. War es früher üblich, daß der Mann z.B. der Frau den Vortritt gab oder in einem öffentlichen Verkehrsmittel ihr den Platz anbot, so verfällt diese "Sitte" immer mehr. Manche bedauern es, andere weisen auf die Gleichberechtigung hin. Früher war es üblich, daß der Mann mit seiner Arbeit die Familie versorgte, während die Frau zuhause nach den Kindern sah und den Haushalt führte. In unserer Landeskirche kam erst spät die "Sitte" auf, daß Frauen zum Pfarrdienst ausgebildet und ordiniert wurden. In vielen Kirchen der Welt ist das bis heute noch nicht so.

Sitte ist also etwas, was keinen "Rechtsanspruch" hat, was aber von der Mehrheit eingefordert wird.
Aber Sitte ist auch ein "Markenzeichen": Die Sitte der Höflichkeit zeigt uns immer noch, aus welchem Haus ein Mensch kommt. Die Sitte des Anstandes zeigt, ob jemand bedacht durchs Leben geht oder unbedacht. Auch Gesprächssitten zeigen, in welcher Umgebung sich ein Mensch aufhält.
Sitte ist zwar nicht Hauptsache im Leben, aber sie ist eine wichtige Nebensache, die uns das Zusammenleben erleichtert und uns Orientierung bietet.

Welche Sitten haben wir heute im Gottesdienst? Zum Beispiel die Sitte, daß wir beim Gebet aufstehen, daß wir das Haupt neigen, evtl. die Augen schließen und unsere Hände zusammenlegen.
Nun mag mancher sagen: Ich kann auch im Sitzen beten! Ich kann auch mit offenen Augen beten! Ich kann auch ohne gefaltete Hände beten!
Stimmt. Aber was spricht dagegen, wenn wir zu unseren gottesdienstlichen Handlungen auch entsprechende Riten (z.B. Körpersprache) dazunehmen? Und wenn es Sitte ist, so ist es doch keine schlechte!
Die Sitten, wie z.B. einer betet, sind ganz verschieden und spiegeln oft auch die Konfession wider.


Es geht in der "Gemeinde Gottes" ja nicht um Individuen (allein) - es geht ja um das Leben des "Leibes Christi". Die Glieder an diesem Leibe aber haben ein Ziel: Die Verherrlichung des Hauptes, Christus.
Und wenn dazu (gute) Sitten helfen, sollten wir sie nicht einfach leichtfertig aufgeben. Es könnte sein, daß wir uns dann plötzlich "bloß und nackt" vorkommen - und (das ist das Schlimmste!) - allein. Aber nicht die "Sitte" ist unser Herr; Herr ist und bleibt Christus. Was "ihn treibet", das sollen und das dürfen wir üben.


  • 46.Woche


  • Hinweis
    321.Lesung


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    Pfarrer i.R. Jakob Stehle
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