Besinnung - Jahresbegleiter  

5.Juni

Warum?

"Warum hat man mich auf den Schoß genommen? Warum bin ich an den Brüsten gesäugt?"
(Hiob 3,12)

In Kapitel 3 des Hiobbuches beginnen die Dialoge um die "Warum-Frage". Hiob fängt mit seiner ersten Rede an. Sie ist eine Klage, die aus der Tiefe seiner Existenz gesprochen wird. Immer wieder taucht die Frage auf, warum ihn all das Unglück getroffen hat.

Um sich die Tiefe seiner Verstehensnot vor Augen zu halten, muß man sich klar sein: Hiob weiß ja nicht, was da im Himmel zwischen dem lebendigen Gott und dem Widersacher der Menschen (dem Satan - dem Ankläger aller Menschen vor Gott) gesprochen wird. In den Augen Gottes gilt Hiob als "Gottes Knecht", "fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und einer, der das Böse meidet". Hiob ist also vor Gott "gerechtfertigt" - d.h. Gott sieht ihn so an! Aber Hiob weiß um all das nichts. Und er weiß nicht, was der Satan alles mit ihm vorhat, ihn vom rechten Weg abzubringen. Hiob weiß nur das, was ihm unbegreiflicher Weise begegnet und was er nicht in sein Glaubens- und Weltbild einordnen kann.

Hätte Hiob von dem Dialog Gottes mit dem Satan gewußt, wären wohl die Dialoge um das Warum nicht entstanden. Dann hätten wir eher eine Art "Heldensage" über den Mut und die Ausdauer Hiobs, aber keine Botschaft, die auch uns in unserer Warum-Frage tragen würde.

So aber lernen wir als erste Lektion bei Hiob, daß es nicht verboten ist, in unserem Elend das Warum zu sprechen und Gott unser Leid zu klagen.
Diese Frage "Warum?" beinhaltet alle Fragen des Menschen. Viele Dinge in seinem Leben, die sich nun ereignet haben, weiß Hiob nicht zu deuten. Er hat noch keine Antwort auf die Fragen seiner neuen Lebenslage. Er kann es sich nicht erklären, daß sich das Blatt so gewendet hat. Antwortlos steht er da - aber er steht vor Gott. Er nimmt seine Zuflucht zu Gott. Hier darf er wirklich sein Herz (und auch seine Gedanken) ausschütten als ein Mann, "dessen Weg verborgen ist, dem Gott den Pfad ringsum verzäumt hat" (Hiob 3,23).

Ich denke, daß sich gerade darin der tiefe Glaube (Vertrauen) Hiobs zeigt: Jetzt gibt es nichts und niemanden mehr auf Erden und im Himmel und unter der Erde, zu dem Hiob fliehen kann als zu IHM, dem LEBENDIGEN!



  • 23.Woche
  • Theodizee-Frage


  • Hinweis
    155.Lesung


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    Pfarrer i.R. Jakob Stehle
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